Ein Kommentar zur Debatte um die Einführung des 365€ Tickets für den ÖPNV in Hannover

Ein Kommentar zur Debatte um die Einführung des 365€ Tickets für den ÖPNV in Hannover

10 Jan 2018

Am Mittwoch, den 10. Januar 2018 durften die Leser*innen der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) über einen Artikel im Lokalteil staunen. In dem Artikel mit der aussagekräftigen Überschrift “Regionspolitiker lehnen Ein-Euro-Ticket ab” geht es jedoch nicht nur, wie man erwarten würde über die Begründung der Regionspolitiker*innen warum eine Jahreskarte für den ÖPNV für einen Euro am Tag nicht umsetzbar ist. Stattdessen offenbahren sich in dem Text einige Informationen über ebenjene Politiker*innen, die für die Wähler*innen nicht uninteressant sein dürften.

Worum geht‘s?

Seitdem klar ist, dass auch in Hannover die Luftqualität eindeutig zu schlecht ist, suchen Politiker*innen und Organisationen fieberhaft nach einer Möglichkeit, dieses Problem schnellstmöglich zu lösen. Am Montag, den 8. Januar hat die Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP daher einige Vorschläge im Umweltausschuss vorgelegt.

Darunter findet sich auch der Vorschlag, wie in Wien eine Jahreskarte für den ÖPNV für einen Euro pro Tag einzuführen. Dies wäre ein gigantischer Preissprung von 265€ nach unten. Wenn das keine Attraktivitätssteigerung ist, weiß ich auch nicht weiter. In der Onlineversion des ersten Artikels zu diesem Thema Achtung Paywall findet sich eine Abstimmung, bei der 80% der Leser*innen angaben, dieses Jahresticket kaufen zu wollen, wenn es umgesetzt würde. Ein solches Ticket scheint also ein sinnvolles Mittel gegen die steigende Luftverschmutzung durch zunehmenden Autoverkehr zu sein - könnte man zumindest meinen.

Was ist jetzt so interessant?

Selbstverständlich gibt es auch Kritik an diesem Vorstoß. Wie so häufig stehen sich hier wirtschaftliche und ökologische Interessen gegenüber und so ist es nicht verwunderlich, dass die CDU nicht nur im Umweltausschuss der Stadt, sondern auch in der Region Kritik äußert. In dem am Mittwoch veröffentlichten Artikel in der HAZ Wieder Paywall beispielsweise, wird der CDU-Fraktionschef Bernward Schlossarek zitiert, dass die Region das Ticket nicht brauche, der Nahverkehr sei bereits günstig und daher attraktiv. Der Herr scheint nicht verstanden zu haben, dass es hierbei nicht um eine ideologische Tat, sondern um einen Vorschlag geht, der das Problem der schlechten Luft tatsächlich an den Ursachen angreifen und für weniger Schadstoffausstoß sorgen könnte.

Doch auch die SPD-Fraktionschefin Silke Gardlo äußert Kritik am Vorstoß der Politiker*innen aus dem Stadtrat. Man müsse durch die Attraktivitätssteigerung auch neue Kapazitäten schaffen und weitere Züge kaufen. Diese Aussage zeugt noch mehr von der vermutlich nicht stattgefundenen Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich glaube nicht, dass jemand der sich auch nur wenige Minuten mit dem Problem der schlechten Luft in den Städten auseinandergesetzt hat, nicht darauf kommt, dass sich insbesondere an Tagen schlechten Wetters der Verkehr hauptsächlich auf Autos und Stadtbahnen beschränkt. Folglich sollte für jeden klar sein, dass eine Reduktion des Autoverkehrs zwangsläufig eine Erhöhung der Nutzung des ÖPNVs mit sich bringt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Tickets teuer sind oder nicht. Weniger Autos bedeuten mehr Fahrgäste des ÖPNV. Schon jetzt klagen bei schlechtem Wetter viele Hannoveraner*innen über volle Busse und Bahnen, sodass es einem sinnvoll vorkommt, diese häufiger fahren zu lassen, was einen Einkauf weiterer Transportmittel unumgänglich macht. Die Aussage erweckt also den Eindruck, an Frau Gardlo sei entweder vorbeigegangen, dass Autos für schlechte Luft sorgen oder, dass eine steigende Anzahl an Fahrgästen der Öffis mehr Züge benötigt. Beides wäre für eine Fraktionschefin in der Region keine gute Situation.

Bis hierhin scheint der Artikel schon interessante Details über die Entscheidungsträger*innen in Hannover preiszugeben, doch werden nicht nur Parteimitglieder zitiert. Im vorletzten Absatz des Artikels kommt noch der Sprecher des Verkehrsbundes GVH, Tolga Otkun zu Wort. Dieser äußert generelle Zweifel daran, dass günstigere Tickets mehr Menschen in die Busse und Bahnen locken. Während man diese Zweifel angesichts der Sitze in den neuen Straßenbahnen Hannovers, die eine revolutionäre Interpretation des Wortes „angenehm“ aufzeigen, sogar teilen möchte, kommt die wahre Offenbahrung im nächsten Satz: Man solle warten wie die neue SparCard angenommen werde. Die neue Sparcard ist die neue Schülerfahrkarte für alle Schüler*innen, die nicht eine kostenlos bekommen. Für 15 Euro im Monat kann damit rund um die Uhr überall im der Region verkehrt werden. Klingt an sich toll, doch wie der GVH-Sprecher diese Fahrkarte in einen Zusammenhang mit der zur Debatte stehenden Jahreskarte bringt, ist ein Rätsel. Herr Otkun muss sehr reich sein. Immerhin kommt man leicht zu dem Schluss, er finde es normal, dass Schüler*innen sich entscheiden können mit Öffis oder alleine mit dem Auto zur Schule zu fahren - ein Privileg, das ältere Schüler*innen mit ausreichend dickem Geldbeutel sicherlich genießen können, der Standard ist dies allerdings nicht. Möglicherweise ist Herr Otkun in der Lage seinen Kindern dies zu ermöglichen, vielleicht fährt er aber auch einfach nie mit der Bahn und sieht morgens und nachmittags nicht die älteren Schüler, die kein kostenloses Ticket mehr bekommen und trotz des bestandenen Führerscheins den ÖPNV nutzen. Vielleicht kann er ja erklären, wie er zu dem Schluss kommt, dass ausgerechnet Schüler*innen, von denen die große Mehrheit noch nicht alleine Auto fahren dürfen, dazu geeignet seien, auf das Verhalten von Erwachsenen Autofahrer*innen zu schließen.

Fazit

Kurzum, es scheint in diesem Artikel neben der starken Ablehnung des Vorstoßes der Ratsmehrheit vor allem eines klar zu werden: Die politischen Entscheidungsträger*innen leben in ihrer ganz eigenen Welt. Völlig realitätsfern begründen sie ihre Position und zeigen damit ganz klar, wie sehr sie an der Verbesserung der Luft in der Landeshauptstadt interessiert sind.